Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hält es nicht für nötig, die Verhältnismäßigkeit der Anleiheaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) ein weiteres Mal durch den Bundestag prüfen zu lassen. Das geht aus der Antwort Schäubles auf eine Schriftliche Frage des FDP-Bundestagsabgeordneten hervor. Es bestünden „bislang keine Anhaltspunkte, dass eine Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht in einem ausreichenden Maße stattfindet“, so Schäuble in der Antwort. Anlass für die Frage war, dass das Bundesfinanzministerium den Umfang der Anleiheaufkäufe nach eigenen Angaben nicht kennt und sie deshalb inhaltlich auch nicht bewerten kann.
Im Vorhinein zu der Frage hatte Schäffler bereits in einem Brief an Schäuble deutlich gemacht, dass der Bundestag seine ihm zugedachte Kontrollfunktion nicht wahrnehmen könne, wenn die Bundesregierung nicht über die nötigen Informationen verfüge.
Hintergrund des Streits ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 zu den Anleiheaufkäufen von EZB und Bundesbank. Die Richter hatten der EZB vorgeworfen, die Verhältnismäßigkeit der Aufkäufe – etwa mit Blick auf deren haushaltspolitische Implikationen – nicht ausreichend geprüft zu haben. Diese Kritik hatte die EZB danach mit umfangreichen Erläuterungen an den Bundestag „geheilt“; die Richter hatten sich damit zufriedengegeben. Nach Schäfflers Ansicht besteht indes weiterhin eine Kontrollverantwortung des Bundestags, die er ohne Informationen aus EZB und Bundesbank nicht wahrnehmen könne. „Demokratische Verantwortung können im Rechtsstaat nur Parlament und Regierung übernehmen. Das blinde Vertrauen auf die Bundesbank seitens des Bundestagspräsidenten und der Bundesregierung wird den Anforderungen aus dem PSPP-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht.“, so der Finanzexperte Schäffler.